Informationen zum Vorbild:
Württ. Hh – Br. 574
Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts
vertraute die Württembergische Staatsbahn für ihren
Güterverkehr fast ausschließlich auf C-gekuppelte
Dampflokomotiven unterschiedlicher Bauform. Fahrzeuge mit
größerem festen Abstand wurden abgelehnt, da man ihnen –
entgegen der bei anderen Bahnen gemachten Erfahrungen –
keinen guten Kurvenlauf zutraute und dadurch Probleme beim
Betrieb befürchtete. Die kleineren C-Kuppler der Gattungen F
und Fc waren jedoch in ihrer Leistungsfähigkeit beschränkt;
der geringe feste Achsstand und die großen Überhänge ließen
keine schweren Anhängelasten oder höhere Geschwindigkeiten
zu. Folglich mussten viele Züge mit zwei Maschinen bespannt
werden, was jedoch nicht gerade wirtschaftlich war.
Erst zum Beginn der 1890er-Jahre wich
man von dieser ablehnenden Grundeinstellung ab und
beschaffte für den Dienst auf schweren Rampenstrecken die
fünffach gekuppelte Reihe G mit gelenkigen „Klose“-Triebwerk
als Dreizylinder-Verbundmaschine. Aufgrund ihrer massigen
Erscheinung und ihrer Zugkraft wurde sie schnell
„württembergischer Elephant“ genannt. Hiermit konnte
nachgewiesen werden, dass vielachsige Lokomotiven auch auf
Strecken mit starken Steigungen und vielen Kurven mit
Gleisbögen von nur 150 m Radius verkehren konnten.
Allerdings war das Dreizylinder-Verbundtriebwerk mit seinem
mittig angeordneten Hochdruckzylinder recht kompliziert und
im Betrieb und in der Unterhaltung sehr aufwändig – es blieb
bei nur fünf Maschinen.
So dauerte es noch weitere zehn Jahre,
bevor sich die K.W. St. E. dazu entschließen konnten, für
den weiterhin stark ansteigenden „normalen“ Güterzugdienst
moderne, leistungsfähige Maschinen anzuschaffen.
Mittlerweile war die internationale Entwicklung im
Lokomotivbau jedoch weiter fortgeschritten; neue
Möglichkeiten für den Kurvenlauf vielfach gekuppelter
Lokomotiven waren gefunden worden. Maßgeblichen Anteil
hieran hatten Richard von Helmholtz, der seine theoretischen
Untersuchungen 1888 publizierte und Karl Gölsdorf, der diese
theoretischen Werte ab 1898 in die Konstruktion der
österreichischen 1’D- und E-Lokomotiven der Reihen 170 und
180 mit seitenverschiebbaren Achsen einfließen ließ. Mit
ihnen konnten die theoretischen Überlegungen bewiesen
werden.
1904 schließlich erteilte man der Maschinenfabrik Esslingen
den Auftrag zum Bau von acht fünffach gekuppelten Maschinen
mit drei seitenverschiebbaren Achsen (1., 3. und 5. Achse)
nach dem Gölsdorfschen System zur Befahren von Strecken mit
einem Mindestradius von 180 m. Mit ihnen sollten Züge von
685 t auf einer Steigung von 10 %o noch mit 20 km/h
befördert werden können, wobei jedoch die maximale Achslast
von 15 Mp nicht überschritten werden durfte. Esslingen
entwickelte hierzu einen neuen, sehr leistungsfähigen Kessel
mit einem Dampfdruck von 15 kp/cm²; zur Erzielung möglichst
trockenen Dampfes versah man den Kessel mit zwei Domen, die
durch ein weites Rohr miteinander verbunden waren, ähnlich
wie man es bereits bei den Schnellzuglokomotiven der Klasse
AD angewandt hatte. Die beiden außenliegenden Zylinder
arbeiteten mit Verbundwirkung auf die vierte Kuppelachse,
während man den Treibraddurchmesser wie bei den C-Kupplern
auf 1250 mm festlegte. Als Tender kam die dreiachsige Bauart
wü. 3 T 15,5 mit 6 t Kohlevorrat zur Ausführung.
Zwischen 1905 und 1908 wurden die Loks als Klasse H an die
Württembergische Staatsbahn abgeliefert und nach erfolgreich
absolvierten Testfahrten auf der Geislinger Steige dem
Betriebsdienst übergeben. Dieser zeigte sich über die
Leistungsfähigkeit der Maschinen sehr erfreut, wiesen die
neuen Loks doch gegenüber der Klasse Fc eine um 75 % höhere
Leistung auf. Ihre Höchstgeschwindigkeit betrug 45 km/h.
1909 stand die weitere Beschaffung leistungsstarker
Lokomotiven an; nun jedoch entschied man sich unter
Beibehaltung der Grundkonzeption der mittlerweile
ausgesprochen bewährten Reihe H für eine moderne
Heißdampfausführung, die eine weitere Leistungssteigerung
versprach. Die noch im gleichen Jahr abgelieferten neuen
Loks wurden als Klasse Hh (h wie Heißdampf) in Betrieb
genommen. Vor allem in der Ausführung des Kessels und des
nun als einfaches Zwillingstriebwerk gebauten Antriebes
unterschieden sie sich von ihrer Vorgängerin der Reihe H. Im
Betrieb erwies sich die Richtigkeit dieser Entscheidung,
denn die neue Hh war der Naßdampf-H gerade im oberen
Leistungsbereich deutlich überlegen. In der Ebene war mit
ihnen die Bespannung 1900 t schwerer Züge mit 45 km/h (H:
1740 t) möglich; in der 20%o-Steigung schafften sie mit 350
t Anhängelast noch 25 km/h. Gleichzeitig lag ihr Kohle- und
Wasserverbrauch deutlich unter dem der H.
Bis 1920 lieferte die Maschinenfabrik Esslingen 26 neue Hh
an die Württembergischen Staatsbahnen ab; die letzten
Maschinen erhielten noch Kolbenspeisepumpen und
Abdampfvorwärmer. Zum Einsatz kamen sie – bei den
Maschinenbezirken Stuttgart und Ulm stationiert – vor allem
auf der Hauptstrecke Bretten – Stuttgart – Ulm mit der
steigungsreichen Geislinger Steige.
In Folge des ersten Weltkrieges mussten vier H und sechs Hh
an die Siegermächte abgetreten werden, so dass die neu
gegründetete Deutsche Reichsbahn als Zusammenschluss der
deutschen Länderbahnen noch drei H und 17 Hh übernehmen
konnte. Sie erhielten die neuen Baureihenbezeichnungen 573
(H) und 574 (Hh). In den folgenden Jahren wurden
die drei Naßdampfloks ebenfalls auf Heißdampf umgebaut, das
Verbundtriebwerk jedoch beibehalten.
Zeitlebens blieb der Wirkungskreis der H und Hh auf den
württembergischen Raum begrenzt, wo sie einen großen Teil
des schweren Güterzugverkehrs abwickelten. Stärkere und noch
modernere Maschinen verdrängten sie jedoch rasch von ihrer
Stammstrecke; eine neue Heimat fanden die 57er Mitte der
20er-Jahre in den Bw Aalen, Calw, Freudenstadt und
Heilbronn, wo sie wiederum den überschweren Güterzugdienst
übernahmen. Doch schnell wurde die Reichsbahn ihrer
überdrüssig; bis 1931 waren bereits jeweils eine H und Hh
bei der Rbd Stuttgart ausgemustert; die übrigen Maschinen
folgten ihnen sehr schnell: Bereits 1935 wurde die letzte 574
abgestellt und anschließend verschrottet.